Wir planen einen Kurzurlaub im Tal der Loreley
„Ich habe mir 2 Wochen Urlaub genommen. Lass uns ein paar Tage wegfahren.“ Nicht wenig überrascht löse ich zuerst meinen Blick und dann auch meine Gedanken von der Geschichte, in der ich mich gerade befinde. Mitten im Kapitel schiebe ich das Lesezeichen zwischen die bedruckten Seiten und lege das Buch zur Seite. Dieses Gespräch bedarf meiner vollen Aufmerksamkeit. „Wie? Wegfahren? Einfach so?“ „Ja, warum nicht?“ Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, mich nicht über die spontane Idee gefreut zu haben. Vom Tal der Loreley ist bis jetzt noch keine Rede. Aber genau da wird es sein, wo uns nach unserer anschließenden, zweitägigen Internetsuche ein attraktives Angebot hin locken wird.
Tag 1 – Ankunft im Tal der Loreley
Ankommen
Nach einer entspannten Autofahrt erwartet uns die erste freudige Überraschung direkt bei der Ankunft. Während das Navi uns mitteilt, dass wir unser Ziel erreicht haben, stelle ich begeistert fest, dass der Rhein sich keine 20 Rollschübe entfernt am Fuße der Weinberge durch die Landschaft windet. Dass wir Urlaub am Rhein machen, wusste ich natürlich. Aber dass „am Rhein“ in unserem Fall tatsächlich „direkt am Rhein“ bedeutet, hebt meine sowieso schon nicht geringe Freude noch ein bisschen mehr.

Das Hotel
Barrierefreiheit geprüftes Hotel
Das Hotel Lindenhof ist von reisen-fuer-alle geprüft und zertifiziert worden. Hier gibt es den Prüfbericht, aus dem hervorgeht, dass das Hotel die Auszeichnung „Barrierefreiheit geprüft“ nutzen darf. Außerdem findet man in dem Bericht auch die ein oder andere hilfreiche Information zu Rampen, Durchfahrbreiten usw.
Über den stufenlosen Seiteneingang gelangen wir ebenso unkompliziert zur Rezeption wie mit dem Aufzug zu unserem Zimmer.
Check-In
Bereits beim Einchecken zeigen sich die ersten Anzeichen für die überaus freundliche und zuvorkommende Art des Personals, die sich über unseren gesamten Aufenthalt erstrecken wird. Man bietet uns sofort eine Umplanung des Zimmers an, denn wir haben KEINS der beiden als barrierefrei ausgeschriebenen Zimmern gebucht,
- weil ich in einem ausreichend großen Zimmer meistens auch so ganz gut zurecht komme und
- weil ich mich immer darüber ärgere, dass es im Online-Zeitalter – in dem wir uns mittlerweile unbestritten befinden – immer noch nicht möglich ist, ein barrierefreies Zimmer genauso online zu buchen wie jedes andere Zimmer auch. Übrigens ist das bei Theaterveranstaltungen und Musicalbesuchen beispielsweise genauso. Klickt man sich durch die Buchungsseiten, stößt man irgendwann unweigerlich auf die Info: „Rollstuhlplätze können nur telefonisch gebucht werden.“ WARUM? Vielleicht gibt es dafür eine ganz einfache Erklärung, dann hat mich die Erleuchtung diesbezüglich einfach noch nicht erreicht.
Wir möchten jedenfalls keine Umstände machen und bleiben deshalb bei dem uns zugewiesenen Zimmer, welches groß genug ist, uns alle (inklusive Rox) zu beherbergen ohne uns in unserer Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Check-In –> erfolgreich
Zimmerbezug –> erfolgreich
Toilettenbenutzung –> erfolgreich
Hotelbegehung/Hotelberollung
Es folgt eine kleine Rundfahrt, bei der ich ergründen will ob ich mich mit dem Rollstuhl auch im ganzen Gebäude selbstständig bewegen kann. Mein Fazit: Alles wichtige ist errollbar.
Lediglich zur Hotelbar und zum unteren Teil der Sonnenterrasse kommt man nicht ohne Stufen. Als wie immens man diese beiden Einschränkungen bewertet, hängt sicherlich nicht unerheblich von den persönlichen Vorlieben ab. Dem ein oder anderen ist die Unerreichbarkeit der Bar mit Sicherheit ein saures Aufstoßen wert. Wahrscheinlich sogar unabhängig davon, ob man sie denn tatsächlich würde nutzen wollen oder nicht.
Was die Sonnenterrasse angeht, wäre ich persönlich für den unkompliziertesten Umgang damit: für wen der untere Teil nicht erreichbar ist, sucht sich eben ein Plätzchen im oberen Teil. Obgleich diese naheliegende Lösung wahrscheinlich auch nicht jeden (oft einfach aus Prinzip) zufriedenstellen wird.
Fazit zum Hotel
Da jeder Rollstuhlfahrer seine individuellen Einschränkungen hat, ist es immer schwer, passende Empfehlungen auszusprechen, was ich auch auf keinen Fall tun möchte. Für uns war der Aufenthalt mit Rollstuhl im Hotel Lindenhof jedenfalls super und wir würden jederzeit wieder kommen.
Urlaubsort erkunden

Nach einer Kaffee/Kuchen-Stärkung auf der Sonnenterrasse, brechen wir auf, um den Urlaubsort zu erkunden. Wir haben uns das kleine Örtchen Osterspai ausgesucht, welches zur Verbandsgemeinde Loreley gehört.
Den zur Wohngemeinde gehörenden Teil hat man fußläufig bzw. radrollig relativ schnell erkundet. Manch einer würde vielleicht sagen: „Das ist doch nichts besonderes hier“. Ich hingegen werde es nie leid, den Charme der schön anzusehenden, alten Fachwerkhäuser zu bewundern.


Mit dem Rollstuhl stoße ich auf keine unüberwindbaren Hindernisse, so dass durchaus auch ein alleiniger, rollender Spaziergang möglich gewesen wäre. Lediglich die Bürgersteig/Straßen-Übergänge (die teilweise abgesenkt sind, teilweise aber leider auch nicht) empfinde ich persönlich als nicht ganz so leicht zu bewältigen. Mit ein bisschen Übung und vorausschauendem Fahren ist aber auch das machbar.
Direkte Umgebung
Sowohl die Info-Broschüren des Hotels als auch die Beschilderung im Ort weisen auf verschiedene Wanderwege hin, die von hier aus gestartet werden können. Abenteuerlustig will ich mir den Anfang des Langhals-Wanderweges anschauen. Eine steile Treppe als Einstieg bremst mich allerdings direkt wieder aus. Ich befürchte, dass ich auch ohne die Treppen nicht erwähnenswert viel weiter gekommen wäre, deshalb ärgere ich mich nicht allzu sehr. Kurz hänge ich in diesem Moment trotzdem dem Traum nach, wie es wäre, wenn ich Rox einfach zurücklassen und drauf los wandern könnte.
Tag ausklingen lassen
Hat Wasser auf euch auch immer so eine beruhigende und faszinierende Wirkung? Bevor wir uns zum Ende des Tages für´s Abendessen fertig machen, machen wir es uns noch eine Weile auf einer Bank am Wasser gemütlich, tanken noch ein bisschen Sonne und nehmen die Ruhe, die hier herrscht, in uns auf.



Tag 2 – Ausflug zur Loreley
Loreley-Plateau
Um den ganzen Tag im Hotel zu verbringen, muss man nicht wegfahren. Wir wollen ein bisschen was sehen von der mythen- und sagenumwogenden Gegend, in der wir uns befinden. Was wäre da naheliegender als ein Ausflug zum bekannten Loreley-Plateau bei St. Goarshausen? Zum legendären, 125 Meter in die Höhe ragenden Schieferfelsen, auf dem ihrerzeit die junge, hübsche Loreley viele Schiffer das Leben gekostet haben soll.


Sowohl das Besucherzentrum als auch das Plateau selbst, an dessen äußeren Rändern man einen tollen Blick auf den Rhein hat, sind gut mit dem elektrischen Rollstuhl befahrbar. Für mich persönlich, mit meiner überschaubaren Kraft, wären die teilweise unebenen, steinigen Wege manuell mit Reiko nicht zu bewältigen. Ich wage trotzdem zu behaupten, dass geübte Aktivrolli-Nutzer hier wenig bis keine Probleme haben sollten.



Sommerrodelbahn

Nachdem unser Wissen, was die Geschichte der Loreley angeht, nun wieder aufgefrischt ist, beschließen wir, eine Runde mit dem Sommerrodel Loreley-Bob den Berg runter zu düsen.
Bei schönem Wetter kann man sich ruhig mal eine Fahrt mit der Loreley-Bobbahn genehmigen.
Tal der Burgen und Schlösser
Lasst ihr euch nicht nur gerne von mythischen Erzählungen über schöne Frauen auf Felsen verzaubern, sondern findet auch die Sagen rund um Burgen, Ritter und Burgfräulein faszinierend, dann seid ihr hier im Paradies. Im Tal der Burgen und Schlösser findet ihr eine große Anzahl an Burgen, Burgruinen und Schlössern, die man bewundern und besuchen kann.
Während wir sowieso dabei sind, die tolle Umgebung zu „erwandern“, schlagen wir die Richtung ein, in der wir nach wenigen Kilometern eine der uns naheliegendsten Burgen erreichen sollten. Die Burg Katz.

Schöne Aussicht genießen


Egal. Ich hätte mich zwar gefreut, die Burg zu erreichen, so genießen wir stattdessen einfach die fantastische Aussicht von hier.
Tag 3 – Relax
Urlaub ist Erholung
Gestern waren wir viel unterwegs. Den heutigen Tag widmen wir deshalb ganz der Entspannung. Massage, Sauna, ausgiebige Ruhepausen und zwischendurch ein kleiner Spazier-Roll. Ach ja, und 3 Mahlzeiten müssen ja auch irgendwie noch dazwischen passen. Wir haben schließlich das Komplettpaket des Hotels gebucht.
Tag 4 – Nass werden wir eh
Regenwanderung oder Schwimmen?
Heute ist Donnerstag. Der Wetterfrosch lässt wenig Platz für die Hoffnung, trocken durch den Tag zu kommen. Er prophezeit eine 90 prozentige Regenwahrscheinlichkeit für morgens, mittags, abends und nachts. Dazu nicht mehr als 8 Grad Celsius. Nass werden wir also eh. Wofür entscheidet ihr euch, wenn ihr die Wahl habt zwischen kaltem Regen und warmem Sprudelbecken?
Wir hatten gestern einen schönen, entspannten Gammel-und-Relax-Tag im Hotel, also ist es heute an der Zeit für ein absolutes Kontrast-Programm: Noch mehr Relaxing. Zur Abwechslung mal in der Therme in Bad Ems. Nein, wir sind nicht faul. Wir sind einfach im Urlaub und da wollen wir das tun, worauf wir gerade Lust haben.
Im Übrigen darf der Wetterfrosch sich auch mal irren. Die ersten Regentropfen fallen erst gegen Abend als wir die Therme wieder verlassen. Bis dahin: mäßig wolkig, viel Sonne.
Barrierefreiheit in der Emser Therme
Auf die Frage, ob die Emser-Therme behindertengerecht ist, wird auf der Website zwar kurz eingegangen, ob und in welchem Maße das für jeden einzelnen dann tatsächlich machbar ist, muss man letztendlich aber selbst testen. Die für manche wichtigen Auskünfte über Durchfahrbreiten, Haltegriffe und Beckeneinstiege kann man bestimmt telefonisch vorab erfragen. Wenn ich mit meinem Partner zusammen unterwegs bin, sparen wir uns solche Anfragen. Im Zweifelsfall trägt oder huckepackt er mich überall hin.
Hätte ich diesen Luxus nicht, wären mir heute sowohl die Infrarotsessel als auch der Salz-Inhalationsraum verwehrt geblieben. Diese befinden sich nämlich im Obergeschoss, welches im Normalfall wohl mit einem Aufzug erreichbar ist. Ich möchte nicht ausschließen, dass wir sowohl beim Betreten als auch beim Verlassen des Gebäude ein eventuell vorhandenes Hinweisschild, dass der Fahrstuhl zur Zeit defekt und nicht nutzbar ist, im Eingangsbereich übersehen haben.
Da ich nicht alleine unterwegs bin, wir ein eingespieltes Team sind und eine gewisse Lauffähigkeit noch vorhanden ist, stoßen wir insgesamt auf keine unüberwindbaren Hindernisse. Man hat sich sicher Gedanken gemacht und einiges umgesetzt, was auch das Vorhandensein von Behinderten-Umkleide, -WC und -Dusche zeigt.
Legt man bei der Planung eines Gebäudes Wert darauf, dieses auch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen zugänglich zu machen, gibt es aber sicherlich noch Luft nach oben. Angefangen vielleicht mit einem befahrbaren Weg zum Erreichen des Sportaußenbeckens. So dass die Antwort auf die Frage, ob ich mit dem Rollstuhl dahin komme, nicht lauten muss: „Naja, nur über die Wiese da, den Hang runter. Aber seien Sie bitte vorsichtig, wenn Sie da runter fahren.“ Ich bin kein Landschaftsgestalter, aber meine Gedanken ob man so etwas nicht mit wenig Geld und ein paar Gehwegplatten lösen könnte, kann mir niemand verbieten.
Letzter Tag – Sollen wir heute noch was unternehmen?
Vielleicht eine Burgbesichtigung?
Lass uns mal das Internet befragen
Wie bereits erwähnt, ist es unfassbar, wie viele Burgen und Schlösser es hier in der Gegend gibt. Ich finde Burgen toll! Und da wir es in den letzten Tagen nicht geschafft haben, uns wenigstens eine davon anzusehen, liegt die Überlegung nahe, das heute noch zu tun.
Die meisten schließen wir aufgrund der eindeutig gekennzeichneten Unzugänglichkeit für Rollstuhlfahrer direkt aus. Andere sind gar nicht zu besichtigen, weil sie sich in Privatbesitz befinden.
Nach einigen Suchmaschinenanfragen stoße ich auf etwas interessantes. Zwar kann ich auf der direkten Internetseite der Burg Rheinfels keine Informationen zur Barrierefreiheit finden, auf burgenwelt.org finde ich aber zumindest die Angabe, dass die Burg für Rollstuhlfahrer erreichbar ist. Das reicht mir erstmal. Wie weit wir mit Rox kommen, und ob eine (teilweise) Besichtigung tatsächlich möglich ist, finden wir dann schon selbst heraus.
Noch vor dem Frühstück will ich checken, ob unser geplanter Abstecher sowieso auf dem Heimweg liegt oder ob wir einen kleinen Umweg nehmen müssen. Laut Routenplaner ist die Burg 19 Kilometer von unserem Hotel entfernt. Das werden wir verkraften können. Mit dem Auto ist das ja nun wirklich keine Entfernung.
Hä? Wo ist denn hier die nächste Brücke?
Ah ok, da müssen wir nur auf die andere Rheinseite. Hä? Was zeigt mir die Navigation denn hier an? Eine Autofähre? Das machen wir natürlich nicht. Es wird ja wohl irgendwo eine Brücke geben. Hm… aber wo? Wie sucht man denn bei Google nach der nächsten Brücke? Das Internet bietet ja unendlich viele Möglichkeiten, aber manchmal muss ich über mich selbst lachen, wenn ich nicht auf Anhieb weiß wie ich am schnellsten an bestimmte die Informationen gelange.
Ich mache es kurz: ich bin nicht zu blöd zum suchen, es gibt hier einfach keine Brücken. Im Nachhinein werde ich bei meiner Recherche nach dem „WARUM?“ auf zahlreiche Artikel zu dem seit Jahrzehnten umstrittenen Thema „Rheinbrücke im Tal der Loreley“ stoßen. Aber heute stehen wir einfach vor der Entscheidung: Abenteuer Autofähre – Ja oder Nein?
Heimreise
Ich bin eigentlich nicht dafür, solch einer „Kleinigkeit“ wie einer fehlenden Brücke die Macht über das Ausfallenlassen eines Ausluges zu geben. In diesem Fall sind mehrere Faktoren an der Entscheidung beteiligt:
- Es regnet
- Die Online-Auskünfte zur Nutzung der Fähre fallen äußerst spärlich aus
- Wir wissen nicht, wie lange wir da im Zweifelsfall warten müssen
- Wir wollen uns den bis hierher schönen Kurzurlaub nicht zum Ende hin noch von eventuell unvorhergesehenen Zwischenfällen und Unannehmlichkeiten versauen lassen
- Wir wollen zeitig wieder zu Hause sein
Deshalb beschließen wir langweilig, aber einstimmig, die Bequemlichkeit siegen zu lassen und nach einem letzten ausgiebigen Frühstück ohne weitere Zwischenstopps die Heimreise anzutreten.
Also: Tschüss Loreley. Es war sehr schön.
Und danke, dass ich dich auch mit dem Rollstuhl besuchen durfte.