Schuhe im Weg

Schuhe vor Tür

Nerviges aus dem Alltag mit Rollstuhl

Eigentlich wollte ich einen Artikel schreiben, in dem ich meine Top 10 der nervigsten Dinge aufzähle, die den wenigsten Nicht-Rollstuhlfahrern präsent sind. Als ich bei meinem Platz 2: Schuhe im Weg angekommen war, und diesen Punkt etwas näher beschreiben wollte, fiel mir allerdings auf, dass dieses Thema für mich einen eigenen Beitrag wert ist.

Die Überschrift verrät euch schon worum es geht. Nicht ganz auf Platz 1 haben es in meinem persönlichen Ranking herumliegende Schuhe geschafft, die mir und meinem Rollstuhl zu Hause ständig und überall die Weiterfahrt verwehren.

Schuhe im Weg

Rollstühle und rumliegende Dinge

Die Schuhe sind bei manch einem von euch bestimmt durch andere rumliegende Dinge ersetzbar. In unseren 4 Wänden sind es die Schlappen, Winterstiefel, Sandalen, Turnschuhe, Sneaker, usw., die den Rekord halten. Einzig die Menge der herumliegenden Socken könnte das noch toppen, aber die vernachlässige ich mal, weil ich da einfach drüberfahren kann.

Die Höchstleistung meiner Familie liegt bei sage und schreibe 24 mal am Tag, die ich die Dinger paarweise zur Seite räumen musste, um mich (nur im Erdgeschoss!) frei bewegen zu können. Rechnet das mal hoch: Das sind 48 Schuhe am Tag, 336 Schuhe in der Woche, 10.080 Schuhe im Monat, 3.679.200 (in Worten: drei Millionen sechshundertneunundsiebzigtausendzweihundert) Schuhe im Jahr.

24 Paar Schuhe

Es könnte so einfach sein

Wenn wir das Haus betreten, ziehen wir alle immer unsere Schuhe aus. An dieser Stelle muss ich wirklich positiv vermerken, dass sich daran zu 99 Prozent auch alle halten.

Schuhregal

Bei uns gibt es genau 3 Plätze, wo die Schuhe stehen können:

  1. Im Flur in der Kommode, die als Schuhschrank fungiert
  2. Im offenen Schuhregal, direkt neben der Haustür
  3. Auf dem Schuh-Abstell-Tablett neben der Tür zum Garten

Es spielt also keine Rolle von wo aus man das Haus betritt, neben jeder Tür befindet sich eine adäquate Schuhablage. Umso unverständlicher ist es für mich, dass sie trotzdem an den unmöglichsten Stellen (meistens in der Nähe ihres vorbestimmten Platzes) MITTEN im Weg als Hindernis für mich „aufgestellt“/hingeschmissen werden.

Ich weiß, dass bei meiner Familie bei niemandem eine böse Absicht – oder überhaupt eine Absicht – dahinter steckt. Aber manchmal sind die unberechtigten Gedanken in diese Richtung trotzdem nicht aufzuhalten. Ich frage mich dann immer, warum sie mir das Leben überflüssigerweise so schwer machen.

Die Schuhe müssen weg

Liegen sie erstmal da, wo ich gerade durch will und niemand ist in der Nähe um mir zu helfen, muss ich sie entweder mit meinen Füßen mühsam zur Seite schieben oder ich muss erstmal meine Greifzange suchen. Die versteckt sich natürlich selten da, wo man sie als erstes sucht. Mit der kann ich Gegenstände vom Boden aufheben ohne mich zu bücken. Das Runterbücken würde ich vielleicht sogar noch mehr oder weniger gut hinbekommen. Dann ist aber auch schon Schluss. Das Aufrichten ist dank meiner schwachen Rücken- und Bauchmuskulatur nämlich quasi nicht mehr möglich.

Die Sache mit der Fatigue

So oder so, beides geht unnötigerweise auf Kosten meines sowieso nur spärlich gefüllten Kräfte-Topfes. Mit meiner verfügbaren und nutzbaren Energie kämen viele wahrscheinlich kaum eine Stunde aus, bei mir muss sie einen ganzen Tag lang reichen. Beim Fatigue-Syndrom befinden sich die Betroffenen in einem chronischen Erschöpfungszustand und haben nur einen Bruchteil der Energie eines gesunden Menschen zur Verfügung.

Wenn sowieso schon nur eine geringe Menge vorhanden ist, wird die einzelne Aktion in Relation zum Ganzen natürlich vergleichsweise größer. Solche „Kleinigkeiten“ wie Schuhe aus dem Weg räumen sind dann keine Kleinigkeiten mehr und bringen den ganzen Energie-Haushalts-Plan durcheinander. Da gibt es nicht immer irgendwo noch eine Reserve, die man anzapfen kann. Wenn leer, dann leer.

Langsamer, weniger, erlesener – aber machbar!

Vor 7 Jahren konnte ich mir noch nicht vorstellen, wie es überhaupt möglich sein soll, mit dieser beharrlichen Müdigkeit und der dauerhaften Entkräftung überhaupt nochmal ein halbwegs normales Leben zu führen.

Mit den Jahren habe ich aber gelernt auf meinen Körper zu hören.

Die 4 Maßnahmen, die mir persönlich am meisten helfen, und die es mir ermöglichen trotzdem schöne Dinge zu erleben und das Leben weiterhin zu genießen sind

  1. Kräfte einteilen
  2. Energie sparen, wo immer es möglich ist
  3. Viele Pausen einplanen
  4. Planen generell

Wollt ihr mehr darüber wissen, was Fatigue eigentlich ist? Oder wie ihr euren Alltag anpassen könnt um besser damit zu leben? Dann hilft euch die Seite der Deutschen Fatigue Gesellschaft vielleicht weiter.

Learning by doing – Lernen in der Praxis

Wir haben schon des Öfteren mit Selbstversuchen probiert, die Achtsamkeit von Mitbewohnern und Besuchern zu schärfen. Für solche Zwecke verleihe ich meinen Rollstuhl dann gerne mal ein paar Minuten. Viele scheitern schon an den einfachsten Aufgaben. Eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank zu holen geht auf einmal gar nicht mehr so schnell, wenn ein schwerer Holzstuhl davor steht, an dem man sich als Fußgänger einfach vorbeiquetschen kann. Was? Da passt du mit dem Rollstuhl doch auch vorbei? Stimmt, aber… oh… die Kühlschranktür geht ja gar nicht mehr richtig auf, wenn ich mit meinem fahrbaren Untersatz davorstehe. Genau. Stünde der Stuhl da, wo er hingehört, wäre Platz genug. Also erstmal kräftezehrend zur Seite schieben.

„Ok, ich hab´s verstanden. Dann rolle ich jetzt mal eben über die Terrasse in den Garten, das wird kein Problem sein.“ Wäre es auch nicht, versperrte nicht – Überraschung! – das eigene Paar Schuhe einem den Weg hinaus.

Erfolgsquote/Selbstlerneffekt: 90 %

Nachhaltigkeitsquote: unter 5 %

Langzeitwirkung? Fehlanzeige.

Ja, wirklich. In den allermeisten Fällen hat es kurzzeitig wirklich einen Effekt. Über eine Langzeitwirkung würde ich mich verständlicherweise noch mehr freuen. Wenn ihr einen Tipp für mich habt, wie diese scheinbar unlösbare Problematik langfristig in den Griff zu kriegen ist, immer her damit.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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