Von alltäglichen Hindernissen, die mir als Rollstuhlfahrer den Weg in die Stadt erschweren

Hindernisse

Hindernisse gibt es überall

Heute habe ich eine Auflistung für euch, in der ich euch auf leicht übertriebene Weise aufzeigen möchte, welche Hindernisse manchertags selbst auf kurzen Strecken mit dem Rollstuhl auf euch lauern können. Dafür möchte ich euch einladen, mich an meinem Beispiel-Tag auf dem Weg in die Stadt zu begleiten.

Stellt euch folgendes Szenario vor:

Es ist ein ganz normaler Tag. Sagen wir Mittwoch. Wir sitzen geschniegelt und gestriegelt in unserem Rollstuhl und wollen uns mit Rox auf den Weg zur Ergotherapie machen. Noch bevor wir das Haus verlassen können, kommt Punkt 1 der Hindernisse zum tragen, die uns als Rollstuhlfahrer den nicht mal 1 Kilometer langen Weg in die Stadt erschweren.

Stufen vor der Tür

Stufen als Hindernisse

Als ich hier eingezogen bin, habe ich dieses „Problemchen“ zugegebenermaßen leicht unterschätzt. Man kann mir nicht unterstellen naiv an die Sache rangegangen zu sein. Denn viele Dinge habe ich äußerst kritisch beäugt, bewertet und für die meisten Angelegenheiten gemeinsam mit Familie und Bekannten eine Lösung gefunden.

Zu den Stufen vor der Haustür kann ich mich an nur einen Gedanken erinnern: „Ach. Für diese beiden kleinen Stüfchen wird sich schon eine Lösung finden. Die lohnen sich nicht, unser Hauptaugenmerk darauf zu lenken. Tja. Wir haben uns mehrere Lösungen zusammen mit Kostenvoranschlägen präsentieren lassen. Der dafür aufgerufene Batzen Geld übersteigt das, was wir in wenigen Monaten in der Lage sind anzusparen, allerdings erheblich. Eine einfache Anlegerampe ist wegen der Wohnlage am steilsten Berg der Stadt leider auch nicht so einfach zu realisieren.

Unsere Notlösung: der Weg über die Terrasse und durch die Garage. Diesen Weg habe ich mit meiner selbstgebauten Legorampe einigermaßen bezwingbar gemacht. Also werden wir den nehmen.

Schuhe im Weg

Zu diesem Thema gibt es ja bereits einen ausführlichen Artikel. Heute, knapp 15 Monate nach der Erstellung meines Beitrags zum Thema Schuhe im Weg, muss ich meiner Familie wohlwollend zugestehen, dass sich diese Problematik um ein Vielfaches gebessert hat. Das Maß des gedankenlosen Ausstreifens und irgendwohin-Kickens hat zwar noch nicht ganz die untere Grenze erreicht, welche ich mir wünschen würde, aber niemand ist perfekt. Und sie geben sich wirklich Mühe.

Schuhe im Weg

Für die Präsentation der möglichen Hindernisse an meinem Beispiel-Tag heute, kommen mir die Turnschuhe, die mir soeben vor den Rollstuhl und vor die Fotolinse gesprungen sind, allerdings gerade recht.

Zugemüllte Garage

Haben wir es an den Schuhen vorbei, über unsere Legorampe auf die Terrasse geschafft, wartet die nächste Etappe auf uns. Das wird easy. Jetzt müssen wir nur noch durch die Garage. Bahn frei, da düsen wir mit unserem Turbo-Antrieb jetzt einfach durch. Ach nee, doch nicht. Der Weg durch die Garage gleicht eher einem Labyrinth als einer barrierefreien, befahrbaren Strecke. Für Fußgänger kein Hindernis, für uns mit dem etwas breiteren Rollstuhl hingegen schon.

Garagen können Hindernisse darstellen

Was tun? Möglichkeit 1: Wir lassen uns auf einen Slalom-Ritt ein und hoffen, dass wir ohne Zusammenstöße und ohne zu viel zu zerstören, den Ausgang erreichen. Möglichkeit 2: Wir schlagen uns eine Schneise mitten durch.

Auch zu dieser Unannehmlichkeit möchte ich positiv vermerken, dass nach der letzten Garagen-Aufräum-Aktion durchaus für einige Wochen eine Besserung zu verzeichnen war (und teilweise auch immer noch ist).

Heute versperren uns trotzdem eine leicht wegzukickende Gießkanne, ein nicht auf seinem Platz befindlicher Gartenschlauch und ein Gemisch aus wirrem Kabelsalat den Weg. Ach ja, und eine Schubkarre, die mit ihrem platten Reifen mit Sicherheit niemand benutzt hat, und die den Weg aus ihrer Ecke raus, aber nicht wieder zurück gefunden hat. Die Straßenmalkreide, die lose herumliegt, wird wohl leider keine Kunstwerke mehr hervorbringen, nachdem knapp 100 Kilo über sie drüber gerollert sind. Das würde man dann wohl als Bauernopfer bezeichnen. Wir haben höhere Ziele, wir wollen schließlich in die Stadt, unser Ergotherapeut erwartet uns.

Schnecken

Da sich dieser Artikel um potentielle, alltägliche Hindernisse dreht, wird es euch wohl kaum überraschen, dass wir noch ein paar dieser Hindernisse überwinden müssen, ehe wir unser Ziel erreichen. Das nächste schneckt oder schnegelt sich gerade gemütlich vor uns über den Weg.

An dieser Stelle dürft ihr euch überlegen, was euch lieber ist.

Möglichkeit 1: Ein Meer von Schnecken.

Nacktschnecken auf der Straße

Hier ist klar, dass es nur eine Möglichkeit gibt. Nämlich Augen zu und durch. Oder besser: Augen auf und drüber. Die schleimigen Überreste der kleinen Wegkreuzer, die unser Manöver mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht alle überleben werden, müssen wir dann später mit einem Stöckchen zwischen den Profilrillen unserer Räder raus puhlen.

Was meint ihr? Ihr nehmt Möglichkeit 2? Ihr denkt also, ein Einzelexemplar wäre besser? Ja? Seid ihr euch sicher? Auch wenn es sich um solch ein Exemplar handelt?

Schnecken als Hindernisse auf dem Bürgersteig

Was daran anders ist, als an anderen Nacktschnecken? Schaut euch das Foto nochmal ganz genau an. Wo befindet sich die Schnecke? Genau! MITTEN auf dem Weg. Was für sich alleine betrachtet wahrscheinlich gar nicht so das allergrößte Problem darstellen würde. Je nachdem wo wir uns befinden, kann es aber schon mal passieren, dass dieses kleine wirbellose Tierchen zum riesigen Schleimmonster heranwächst. Naja, nicht wortwörtlich natürlich, aber gemessen am Verhältnis unserer Rollstuhlbreite zur Breite des Geh-bzw. Rollweges, könnte man das schon so wahrnehmen. Denn egal wie klein das nackelige Kriechtier in Wirklichkeit ist, wir passen nicht vorbei. Mal eben kurz auf die Straße und dran vorbei fahren geht auch nicht, weil der Bürgersteig hier viel zu hoch ist.

Rox hat bisher leider noch nicht herausgefunden wie er sich die gleichen magischen Fähigkeiten aneignen kann wie der Fahrende Ritter aus dem Harry Potter Universum. Dieser Bus kann nämlich seine Form verändern und sich ganz schmal machen, um besonders enge Stellen zu passieren. Damit bleibt für uns dann nur die Möglichkeit zu warten, bis das Schneckchen unseren Weg fertig überquert hat. Das könnte allerdings dauern.

Oder gibt es vielleicht doch noch eine Alternative? Die gibt es. Wir peilen die Mitte an, geben Gas und hoffen, dass wir die Spur halten können und mit jeweils einem Rad rechts und einem Rad links an dem Monsterchen vorbeikommen.

Schnecken-Matsche

Naja. Fast hätte es funktioniert. Eure Wahl war gut. Dennoch muss hier nachher wohl wieder das Stöckchen ran.

Scheiß-Haufen auf dem Gehweg

Scheißhaufen

Ganz egal von welchem Tier, Scheißhaufen auf dem Gehweg sind einfach Scheiße. Ich glaube, mehr muss ich dazu nicht sagen.

Parkende Autos

Parkende Autos als HIndernisse

Auf unserem Weg zur Ergotherapie müssen wir mehrmals die Straße überqueren. Bereits vor der ersten Überquerung geht es nicht mehr weiter. Warum? Möglicherweise liegt es daran, dass wir gerade an einem größeren Streckenabschnitt unterwegs sind, an dem die abgesenkten Bordsteine, die es uns erlauben die Straße zu überqueren, äußerst rar gesät sind. Da heute unser Pechtag ist, an dem sich alle potentiellen Hindernisse auf dem Weg zur Stadt gegen uns verschworen haben, sind natürlich alle beiden flacheren Randsteinbereiche zugeparkt.

Heißt für uns: Wir müssen umdrehen. Dank unserer Ortskenntnisse wissen wir, dass der nächste abgesenkte Bordstein ca. 200 Meter hinter uns liegt. 400 Meter Umweg also. Aber wir können es ja nicht ändern.

Übrigens muss nicht zwingend auf beiden Straßenseiten ein Hindernis vorhanden sein, um uns auszubremsen. Denn was nutzt es uns, wenn wir zwar vom Bürgersteig auf die Straße kommen, auf der anderen Seite aber nicht mehr hoch?

Deshalb lasst mich eine Bitte an die Autofahrer richten. Für viele Rollstuhlfahrer wäre es eine große Erleichterung, wenn ihr beim Parken ein klein wenig darauf achtet, keine ganzen Bürgersteine und keine abgesenkten Bordsteine zuzuparken. Niemand verlangt, dass ihr kilometerweit weg parkt, aber wenn man darauf achtet, findet sich oft auch ganz in der Nähe eine alternative Parkmöglichkeit.

Mülltonnen

Hindernisse: 
Mülltonnen

Wenn ihr euch das Foto angeschaut habt, werdet ihr direkt schon die nächsten Hindernisse erkannt haben. Ja, richtig, das sind doch nur Mülltonnen. Hier sind es halt Mülltonnen, die sich dummerweise mitten auf dem Gehweg/Rollweg platziert haben.

Mit ganz viel Glück trefft ihr unterwegs vielleicht zufällig einen hilfsbereiten Mitbürger auf dem Fahrrad, der sich zu eurem persönlichen Wegbereiter erklärt, indem er vor euch her fährt und sämtliche Tonnen zur Seite schiebt.

In der auf dem Foto dargestellten Situation haben wir tatsächlich Glück und wir können einfach um die Mülltonnen herum fahren, weil sie direkt neben einem Stück abgesenkten Bordstein stehen. Die chronischen Meckerer könnten hier jetzt natürlich anmerken, dass es trotzdem nicht mega cool ist, erst vom Bürgersteig runter, ein Stück über die Straße und dann wieder den Bürgersteig hoch zu fahren. Aber man kann es auch übertreiben.

Ungleich uncooler wäre es natürlich ohne die Möglichkeit das Hindernis einfach zu umfahren. Da müssten wir dann auf den Fleiß der Müllabfuhr setzen. Sind die Tonnen schon geleert, lassen sie sich unzweifelhaft leichter aus dem Weg schieben, als im vollen Zustand. Hätte der Wecker im Entsorgungsunternehmen heute etwas später geklingelt, hätte nur wieder der uns bereits bekannte Trick mit dem Umdrehen und bis zum nächsten – nicht zugeparkten – abgesenkten Bordstein zurück zu fahren geholfen.

Schwere Türen

Kaum zu glauben, aber an unserem Beispiel-Tag verlaufen die letzten Meter – bis auf ein weiteres Schnecken-gepflastertes Stück Weg- ziemlich unspektakulär. Wir freuen uns schon, dass wir es fast pünktlich bis zum Praxisgebäude geschafft haben. Wir stehen vor der Tür, wollen sie öffnen. Und erinnern uns missmutig daran, dass wir zu schwach sind, die große, schwere Holztür mit unserer Muskelkraft alleine zu bewegen..

große, schwere Tür

Glücklicherweise befinden wir uns in einer belebten Umgebung, in der wir höchstens ein paar Minuten warten müssen, bis der nächste Passant vorbeikommen und fragen wird, ob er uns helfen kann.

Zu enge Aufzüge

Wenn ihr denkt, dass wir es jetzt endlich geschafft haben, habt ihr die Rechnung ohne den minimalistisch dimensionierten Fahrstuhl gemacht, den wir noch bezwingen müssen.

Da der Artikel bis hierhin schon länger geworden ist, als ich es geplant habe, präsentiere ich euch die Lösung in Kurzform:

  1. Wir müssen aussteigen.
  2. Die Fußstützen müssen abgebaut bzw. eingeklappt werden.
  3. Wir dürfen heute noch nichts gegessen haben, sonst können wir den Bauch nicht genug einziehen.
  4. Unser Augenmaß muss sich auf dem absoluten Genauigkeits-Höhepunkt befinden um den Rollstuhl in den Aufzug zu bekommen. Mit einem halben Zentimeter zu weit rechts oder links haben wir schon verkackt. Wer Spaß am Rangieren hat, dürfte hier voll in seinem Element sein.
  5. Eine zweite Person passt definitiv nicht mehr rein.
Zu enge Aufzüge als Hindernisse

Aber hey, es gibt einen Aufzug. Und das ist mehr, als wir von vielen anderen Gebäuden in dem Alter erwarten können.

Die schwergängige Praxis-Tür

An diese Stelle passt doch mal wieder wunderbar mein Kredo. Nämlich, dass alles Schlechte immer auch was Gutes hat. Durch die ganzen Hindernisse auf dem Weg hierher, kommen wir natürlich viel zu spät zu unserer Ergotherapie. Warum das gut ist? Ganz einfach: Unser Ergotherapeut steht schon wartend im Eingangsbereich, so dass wir durch die weit aufgehaltene Tür einfach reinrollen können.

Hindernis? Ja. Aber nicht unüberwindbar!

So. Danke, dass ihr mich auf meinem Weg von zu Hause bis in die Therapie-Praxis begleitet habt. Und dass ihr die ganzen Hindernisse mit mir überwunden und vielleicht auch ein bisschen belächelt habt.

In den wenigsten Fällen stellt eine der hier beschriebenen Einzel-Situationen ein tatsächlich unüberwindbares Hindernis dar. Dennoch sollte euch bewusst sein, dass keine der Gegebenheiten hier meiner Fantasie entsprungen ist. Übertrieben liest es sich nur, weil ich die ganzen einzelnen Situationen in ein einziges Szenario gepackt habe. Auch wenn die Hindernisse, jedes für sich betrachtet, kein monstermäßiges Problem beschreiben, können sie in der Summe und auf Dauer trotzdem ganz schön nervig, kräfteraubend und ausbremsend sein.

So, jetzt muss ich mich wirklich meiner Therapie zuwenden. Ihr wartet draußen, und wenn ihr die Nase noch nicht voll habt von den ganzen Hindernissen, dann können wir uns in einer halben Stunde ja wieder gemeinsam auf den Heimweg begeben.

Falls ihr wissen wollt, mit welchen Alltagsproblemen man sich mit einer chronischen Krankheit oder mit einem Rollstuhl manchmal noch so rumzuschlagen hat, dann schaut euch doch auch meine anderen Artikel aus dieser Kategorie an:

Von den Hemmungen, den Rollstuhl zu benutzen

Unangebrachtes Mitleid

Leben mit einer unsichtbaren Erkrankung

Schuhe im Weg

One thought on “Von alltäglichen Hindernissen, die mir als Rollstuhlfahrer den Weg in die Stadt erschweren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner